ROTKLEE X    HEIMATEN

Die Brisanz und Aktualität einer Vielzahl der in der Galerie ausgestellten Arbeiten zum Thema ist offensichtlich, insbesondere bei den Hauptakteuren Goes, Haussmann und Sperlich. Die ergänzend aufgenommenen und die Ausstellung sehr belebenden Künstlergäste Manfred Butzmann, Rainer Fest, Thomas Reich, Esther Rappsilber und Beate Bendel sowie bereits verstorbene Künstlerkollegen wie HAP Grieshaber, Manfred Kastner (Beerkast) und Hermann Lindner sind Lichtpunkte der bis Ende Mai, am Markt 10, in Putbus zu sehenden Schau. Auch ausgewählte Beiträge mit der Galerie verbundenen Künstlerkollegen von Rügen, wie die von Egon Arnold, Mario Kusel, Hans-Werner Kratzsch, Mo Ringat, Gottfried Sommer und Hanns Studer… beleben den herkömmlichen Heimatbegriff, spannen einen weiten Bogen originärer Handschriften.

Walter G. Goes versteht sich in der Auswahl seiner Arbeiten (Objekte und Assemblagen) einmal mehr als politisch agierender Künstler, der den Finger in die Wunden seiner Zeit legt. So nimmt die Objektstele „Haus ohne Hüter“ von 2016 aktuellste Bezüge der Asyldebatte auf.
Goes wünscht sich im Diskurs der Meinungen den offensiv fragenden, den im Nachgang aktiv und „menschlich“ handelnden Bürger.

Frank Otto Sperlich hat seine Malerei dem Thema „Heimatflucht – Heimatverlust“ gewidmet. Als Dokumentarfilmer kennt er das Leid der Menschen in Kriegs- und Krisengebieten aus eigenem Erleben. Das vor drei Jahren gemalte Bild „Lampedusa“ wirkt wie eine Vorwegnahme der heute in der Agäis stattfindenden Apokalypse. Todgeweihte sitzen in einem farbenfrohen Flüchtlingsboot. Sehnsuchtsfarben, die auch an der verheißungsvollen Küste Europas wiederkehren. Bunte Fischerboote,- welch tragische Anachronie. Die Mastern erinnern an Kreuze, lassen die nahe Katastrophe ahnen. 2016 entstand das Bild „Ägäis – das Tor zum Abendland“. Hier ist es nur noch das todbringende Meer. Ein Sonnenuntergang, der aller Postkartenidylle beraubt ist. Alles scheint zu zerfließen: Hoffnungen und Träume. Das Meer, ruppig und pastos gemalt, wirkt in seiner Haptik brutal. Der Betrachter soll es berühren – sich berühren lassen.. So will es der Maler – wie oft in seinen Bildern.

Günter Haussmann zeigt 140 Portraits von Rüganern und von Menschen, die in Putbus Zuflucht gefunden haben. Damit will er der sogenannten Flüchtlingswelle ein Gesicht geben. Hunderttausende verflüchtigen sich zu einer Abstraktion, die nichts fühlt und denkt. Der Einzelne jedoch geht uns an. Nur im Einzelnen erkennen wir uns selbst und unsere Kinder. Haussmann konfrontiert den Betrachter seiner Fotografien mit dem geraden Blick der Portraitierten in die Kamera, weil es kein Wegschauen geben darf.
Auf einem anderen Bild stellte Hausmann das Abendmahl nach. Er nutzt die symbolische Kraft dieses Bildes, das zu unserer christlich geprägten Kultur gehört wie kein anderes für ein Gefühl der Toleranz und der Nächstenliebe.

Nicht zufällig sind es wieder Kirchenräume, in denen sich Menschen einer Wertegemeinschaft zum Handeln verpflichtet sehen. Die Protagonisten an seinem Abendmahltisch sind die Flüchtlingeshelfer von Putbus, die sich jede Woche mit ihren Schützlingen zum Sprachunterricht treffen und so diesen Menschen in ihrer neuen Heimat ein Gefühl familiärer Geborgenheit geben.

Zuletzt sei auf einen dreiteiligen Beitrag des syrischen Flüchtlings und Malers Mohammed Hamdoun hingewiesen, der spontan, auf Vermittlung der Kreisvolkshochschule in Bergen, in den Reigen seiner deutschen Kollegen in die ROTKLEE-Schau aufgenommen wurde. Ein wunderbar aktives Zeichen gelebter Solidarität und Normalität in Zeiten zunehmender Abgrenzung und Distanz gegenüber bei uns eine neue Heimat Suchenden.

Walter G. Goes